IP2Innovate in Deutschland
IP2innovate (www.ip2innovate.eu/de) ist eine Initiative forschungsintensiver, an einem hohen Patentschutz interessierter Unternehmen und Verbände, die darauf hinwirken, das aus der Balance geratene Patentrecht neu zu justieren. Ziel ist die bessere Förderung von Innovationsfähigkeit – speziell in Deutschland – zur Sicherung von Wettbewerbsfähigkeit, Wachstum, und Wohlstand.
Mitglieder von IP2Innovate sind Adidas, Amadeus, BMW, Bull (Atos Technologies), Daimler, Dell, Deutsche Telekom, Freebox, Intel, Google, Microsoft, Nvidia, Proximus, SAP, Spotify und Wiko
Das deutsche Patentrecht ist eine Quelle für die Stärke der deutschen Industrie. Es fördert tech-nische Innovationen durch Belohnung und Schutz der Erfindung. Es wurde 1877 geschaffen und war ein Faktor für die stürmische industrielle Entwicklung, eine Basis für den Erfolg des „Made in Germany“. Im Kern geht es noch immer davon aus, dass ein Patent ein Produkt be-stimmt und die Verletzung des Patents durch Unterlassung des Vertriebs eines „Plagiats“ geheilt werden kann.
Die moderne, digitalisierte Welt sieht jedoch anders aus und dies hat zu gravierenden Unwuchten im Patentrecht geführt.
Problem 1: Mangelnde Verhältnismäßigkeit.
Die industrielle Wirklichkeit des digitalen 21. Jahrhunderts bringt komplexe Produkte und Anlagen hervor, in denen mitunter – wie z.B. bei Handys – Zehntausende von Einzelpatenten stecken. Wenn ein Nutzer unbeabsichtigt ein Patent nicht identifiziert hat, droht Produktions- oder Verkaufsstopp – und zwar des gesamten Produktes bzw. der gesamten Anlage. Denn nach der-zeitiger Rechtslage verfügen Gerichte zum Schutz des Patentinhabers in aller Regel automatisch eine Unterlassung, ohne dass es zu einer Überprüfung der Verhältnismäßigkeit kommt.
Problem 2: Zeitlich auseinanderlaufende Verfahren („Injunction Gap“).
Weil die Gültigkeit des Patents vom Bundespatentgericht überprüft wird, für eine Unterlas-sungsverfügung hingegen die Zivilgerichte zuständig sind, kommt es aufgrund der unterschiedlichen Rechtswege zum sogenannten „Injunction Gap“: Ein Patentverletzungsverfahren mit drohender Unterlassungsentscheidung dauert etwa 8-15 Monate, das Nichtigkeitsverfahren, das der beklagte Patentverletzer dagegen anstrengen kann, beansprucht hingegen im Schnitt 27 Monate. Das führt dazu, dass Unterlassungen durchgesetzt werden können, bevor die Gültigkeit des Pa-tents feststeht. So geht wertvolle Zeit für Innovationen verloren und verursacht gleichzeitig ein erhebliches Drohpotential, das Beklagte zu unverhältnismäßig überhöhten Vergleichszahlungen nötigen kann.
Die Bundesregierung hat den Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Patentrechts (2. PatMoG) am 28. Oktober 2020 beschlossen und ins Parlament eingebracht. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrats, aber der Bundesrat hat sich im Dezember 2020 damit befasst.
Die erste Lesung des Gesetzes im Bundestag ist für den 28. Januar 2021 geplant.
Danach folgt die Beratung des 2. PatMoG in den Ausschüssen: Federführend dafür ist der Ausschuss für Justiz und Verbraucherschutz, der Ausschusses für Wirtschaft und Energie berät mit.
Es ist vorgesehen, das Gesetz dann noch in dieser Legislaturperiode zu verabschiedeen
Der Entwurf des 2. PatMoG versucht, das Patentrecht auf die Höhe der Zeit zu bringen und die entstandenen Fehlentwicklungen abzustellen:
Lösung 1: Verhältnismäßigkeitsprüfung zumindest in besonderen Fällen.
Eine Unterlassung kann demnächst die Prüfung ihrer Verhältnismäßigkeit erforderlich machen, wenn „besondere Umstände (…) zu einer unverhältnismäßigen, durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigten Härte“ für den Patentverletzer oder Dritte führen. Dafür wird § 139 PatG geändert.
Lösung 2: Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahren besser synchronisieren.
Das zeitliche Auseinanderfallen der Verfahren soll durch die Einführung einer Frist gemildert werden, bis zu der das Bundespatentgericht eine Stellungnahme zur Gültigkeit des Patents an das die Unterlassung prüfende Zivilgericht abgeben soll. Dafür wird § 83 PatG geändert.
IP2Innovate begrüßt den Gesetzentwurf, der die aufgeworfenen Fragen mit einer ausgewogenen Modernisierung der Rechtslage beantwortet. Ansprüche von Patentinhabern werden in Einklang gebracht mit den Interessen einer hoch arbeitsteiligen und technologisch innovativen Volkswirtschaft. Die Möglichkeit einer Überkompensation von Patentinhabern wird eingeschränkt. Da bei Nichtgewährung der Unterlassung künftig das Gericht eine Entschädigung festlegen kann, entscheidet eine objektive Instanz, wo vorher eine Partei die andere unter massiven wirtschaftlichen Druck zur Zahlung unverhältnismäßiger Summen setzen konnte.
Zwei Verbesserungen werden gleichwohl angeregt:
Bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung verwendet der Entwurf in § 139 PatG die Formulierung „durch das Ausschließlichkeitsrecht nicht gerechtfertigte Härte“ und damit wortwörtlich den Begriff „Härte“ aus dem BGH-Urteil zum Wärmetauscher (Beispiel 1). Dies birgt aus unserer Sicht die Gefahr, dass sich die Gerichte weiterhin an dieser Einzelfall-Rechtsprechung orientieren. Die Ersetzung dieses Begriffs durch den im Referentenentwurf verwendeten Begriff „Nachteile“ wäre neutraler und signalisiert den Gerichten den Änderungswunsch des Gesetzgebers.
Zur Herstellung einer „Waffengleichheit“ zwischen den Beteiligten sollte die Nichtigkeitsklage für beklagte Verletzer bereits ermöglicht werden, wenn die Einspruchsfrist zur Rechtsgültigkeit des Patents beim Patentamt noch läuft. Dies ist vor allem im Hinblick auf das Tempo digitaler Entwicklungen von Bedeutung. Das Bundespatentgericht hat in diesen Verfahren ohnehin das letzte Wort, daher könnte die im Referentenentwurf bereits niedergelegte zeitliche Harmonisierung der Verfahren wieder in das Gesetz aufgenommen werden (§ 81 Abs 2 PatG).